Die Basler Eule

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Ausschnitt & Horizont

Sarah Altenaichinger

Sarah Altenaichinger (*1997 in Basel) nennt seit 2012 Spoken Word-Bühnen ihr zweites Zuhause. Mit ihren Texten performt sie regelmässig in der Schweiz, Deutschland und Österreich und konnte sich zu zahlreichen deutschsprachigen Poetry-Slam Meisterschaften qualifizieren (u.a. Heidelberg, Kiel, Berlin, Wien). Daneben gibt sie im Rahmen von Slam@School Schreibworkshops an Schulen und publiziert gelegentlich Texte in Zeitschriften (u.a. RADAR, Wohnrevue, Transhelvetica, taz o. ä.).

Für das Literaturmagazin der Basler Eule hat Sarah einen Text, den sie im Wettbewerbsbuch publizieren durfte, neu geschrieben.

Publiziert am 4. September 2023

Ausschnitt

Der Horizont

hat auserzählt

 

Mein Blick sucht

eine Tür

 

Sand

Sand

Sanduhr-

 

»Sand haftet auf meinen Lippen«

stand vor Jahren in meinem Notizbuch

Nun spielt er meine zweite Haut

und liegt auf meiner Zunge

wie eine Bindehautentzündung

wie ein Wort, das knirscht

zwischen den Zähnen

 

Wie lange

war ich hier

wie lange

wagte ich

zum Meer zu schauen

die Gezeiten einsammeln

wie schöne Muscheln

Wellen kämmen

deine Haare einfangen

im Wind

(Sylvie wie

kam ich nur

auf diesen Namen)

 

Ich kann mich

nicht erinnern aber

Textblätter sind

hinter mich

wie Fusspuren

gefallen und ich

bücke mich danach

als ob sie schimmern würden

Kaum etwas verstehe ich

doch wehe, diese Spur

hat keine Bestimmung da steht:

Basler Eule, Junges Theater, Poetry Slam, Uni Bern

Schreiben Schreiben Schreibmaschine

Lesen Lesen Lesebühne

Liebe Lyrik Eierkuchen

ein Leben in a nutshell, schau!

 

Ich lese alles auf

bewege mich und laufe

weg betrete weites Land

löse mich von

Wellenranken

Gischtverlangen

Meeresplankton

komme an

ein Luft-Zug halb

im Sand vergraben

die Tür steht auf

 

Die Reisenden

sind weiterhin

versunken in den Sitzen

als ob die Zeit

stehengeblieben wäre

Hitze flirrt durch das Abteil

ich setze mich

 

Dem Zug entfährt ein Schnauben

schüttelt sich zieht seine Schrauben

enger spannt den Rumpf an

macht auf seinen Rädern kehrt

entfernt sich

fährt mich vers le monde

ein Mond lang

langsam

streckt sich ein Entsteinern

an der Haut schürft Stoff

durch Fensterscheiben

kollabiert die Sonne staubig

Rhythmus rattert

und die Knie

meines Vis-a-Vis

Vogelschnäbel

picken leicht

 

Schalengespräche

heben sich windig

von den Sitzen

flüstern singen

Mund-zu-Ohr-Beatmung

winzige Inseln

 

bis der Zug

einfährt

haben wir Pakte geschlossen

und Nummern getauscht

Pakete versprochen

verboten geraucht

liessen Sehnsuchtsschwaden

wabern und schweben und

mit ausladenden Gesten

erzählen

vom Ausschnitt Himmelrosa

zwischen Stromvernetzungskabeln

und Zugrädergleisen

das schärft meinen Blick

und von – ich sehe sie draussen

schon warten –

 

jungen Grossstadtaugen

auf schienenbegrenzendem

Bahnsteigparkett

 


 

Damals veröffentlichte Sarah im Rahmen des Schreibwettbewerbs «Die Basler Eule» diesen Text:

 

Horizont

Grossstadtaugen

auf schienenbegrenzendem

Bahnsteigparkett,

die blinzeln ins Licht.

Graukantiges Lächeln,

verirrt im Spiegelkabinett

vorbeifahrender Zugfenster,

trennt Namen von Namen,

Gesicht von Gefühl,

setzt Linien,

wo keine sein sollten.

In den Zwischenphasen,

diesen Paraphrasen

des Ankommens und des Gehens

verweilt einzig das Geräusch

eilender Schritte

auf Teerteppichböden,

und die Zeit vergeht auch.

 

Und ich heb mein Gesicht,

das was mir noch bleibt

ist ein Ausschnitt von himmelrosa

zwischen Stromvernetzungskabeln

und Zugrädergleisen.

 

Ich steige in den Zugwagon ein

jeder Morgen,

ein Ziel ohne Reise

hinter geschlossenen Türen.

Und dort,

ein stiller Keil im Abteil

zwischen rationalen Reisenden

und träumenden Illusionisten.

Wir haben uns nichts zu sagen.

Streifende Blicke

wie Scherenschnitte.

Zugemauerte Pupillen,

vertrickte Wimpernwolle,

die Iris,

ein verschütteter Ölfleck.

Und das Licht befleckt den Teer.

Wir kennen uns nicht.

 

Ich hab dich gekannt.

Ich hab deinen Namen gewusst. Sylvie.

Vie. Wie das französische Wort, das Leben.

Deine Grossstadtaugen waren schön.

Und schön war auch, mit dir das Stückchen Himmel

zwischen Kabeln und Dächern zu suchen.

Und der Zugluft bei Gleisen auszuweichen.

Ich mochte es, mit dir das Meer zu finden.

Und in die Wellen warfen wir unsere Herzen hinein.

Wir brauchten keine Grenzen.

Wir waren uns Insel genug.

Und doch in allem. Warst du.

Doch vie vergeht. Ich hab dich gekannt.

Und verloren zwischen

Stromvernetzungskabeln

und dem Horizont.

 

Mein Blick sucht.

Ich fahre,

und im Abteil ist es still.

Wir können nicht mehr in unseren Augen lesen.

Der Blick ist uns abhandengekommen.

Abgegrenzt, Zahn der Zeit

tickt mit Befangenheit,

verdickt sind die Zuschlüsse,

Anschlüsse, Weltenzug, fährt er weit?

Stopp.

 

Da liegt er im Sand.

Wir haben angehalten. Räder versunken in diesen Strandstaubkörnern.

Ich fasse nach ihm ohne Nachzudenken und

wie aus einer verloren geglaubten Antwort ergibt sich mir der Sinn.

 

Nun kann ich mich nicht mehr halten.

Ich weiss, was auf mich wartet.

Ich springe aus den klammen Sitzen,

und stürze aus dem Zug hinaus.

 

Und ich steh am Meer

mit neugefundenem Blick

und fokussiere

auf die Gestalt,

die da steht.

 

Du da. Vie. Sylvie.

Barriere. Sehnsucht.

Grenzpunkt. Leben.

Du da.

Ich hier.

Wartend. Arm ausgestreckt. Hand offen. Fingerlang.

Verbindung. Und plötzlich-

Wir hier.

 

Die salzige Luft

hält den Atem an,

in Erwartung

des wellernen Stosses

zwischen die Rippen des Meeres.

Sand haftet auf meinen Lippen,

zwischen den Klippen einfältiger Hautritzen,

der zerbröckelt und kitzelt zwischen deinen Fingerspitzen

 

Möwen kreischen kreisend,

ankommend und verreisend,

Schneisen in den Himmel zeichnend, still

Mein Blick ist gefunden,

zwischen zwei Stunden

im Sand,

an deinen runden Grossstadtaugen

verbrannt, doch nun wieder ganz

 

Der geradlinige Horizont

sticht aus dem Meer

und gibt mir

einen Augenfixierpunkt, eine Aussicht,

doch dein Haar im Wind,

zersetzt ihn in

unscharfe Konturen.

 

Was mir noch bleibt

ist ein offener Himmel,

ein bleiernes Meer,

deine Hand, die mich hält

und eine waagrecht verschwommene Ziellinie,

der Horizont.

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