*2006
Ich bin ein siebzehnjähriger Gymnasiast, der irgendwo zwischen Zunkunftsängsten und Erwachsen werden versucht, Gedankenspiralen in autofiktionalen Texten und Gedichten zu ordnen.
Irgendwo zwischen Erwachsen werden und Zukunftsängsten frag ich mich, wer ich bin. Es ist 6:53 Uhr und die tiefblauen Augen meines Spiegelbilds starren mich eisig an. Der Kalender verkündet sarkastisch: «Das Leben ist eine Reise, und nicht ein Ziel, so geniess den Weg» und die starren Bäume vor dem Fenster warten auf Schnee. Ich bin nach einem doppelten Espresso noch immer weit vom Wach-sein entfernt. Und dann sitze ich unsichtbar im Unterricht und frage mich, was ich da verloren habe und wofür ich Differenzialgleichungen und pH-Werte berechnen lerne. Ich starre Löcher in die Wandtafel und mache halbherzige Notizen.
In der Pause suche ich mich selbst, während ich mit meinen Freunden über Blödsinn lache. Fühlt sich so Glücklichsein an? Drei Wimpernschläge später beginnt die nächste Lektion und löst Lacher in ernstmüde Mienen auf. Bald drehen sich immergleiche Gedankenspiralen im Kopf und ich frage mich, mit wie vielen meiner Freunde ich in fünf Jahren noch in Kontakt sein werde. Ich suche mich selbst, irgendwo zwischen strahlender Fassade und Mental Breakdown am Abend.
Draussen auf den graukalten Strassen fahren Leute mit ernsten Mienen in farblosen Autos. Manchmal habe ich Angst, dass ich auch so werde. Dass ich mit 45, wenn Midlifecrisis und Nostalgie richtig reinkicken, einer von denen bin, die sagen, dass sie mit siebzehn die beste Zeit ihres Lebens hatten.
Als ich mit dem Fahrrad losfahre, beginnt es zu regnen. Die kühlnassen Tropfen schlagen mir ins Gesicht und sickern eisig durch die Jacke. Bei meiner Ankunft ist die Kälte längst in meine Ritzen und Poren gedrungen.
Ich suche Wärme in ihren wiesengrünen Augen. Ihr Duft irgendwo zwischen Sommerregen und trockenen Pinienwäldern in der Toskana. Ist das Liebe oder sind es bloss die hittenden Hormone? Ich weiss nur, dass ich sie fast so fest mag, wie ich mag, von ihr gemocht zu werden.
Es ist längst dunkel, als ich endlich nach Hause komme. Mein Zimmer ist so messed up wie mein Kopf. Ich ziehe Kopfhörer an und bilde mir ein, zufrieden zu sein, während ich durch Tiktoks scrolle, die ich nach zwei Sekunden wieder vergessen habe.
Nach dem Abendessen flackert die Tagesschau über den Fernsehmonitor und zeigt ausführlich, wie sich Menschen gegenseitig und selbst zerstören. Die starken Gefühle dafür habe ich längst verloren, da ist bloss noch ein kaffeesatzbitterer Beigeschmack. Früher dachte ich immer, Erwachsene seien verantwortungsvoll und vorausschauend. Wie sehr ich mich in der Welt getäuscht habe.
Es ist einer dieser Tage zwischen Müdigkeit und abends wach im Bett liegen. Ich versinke in der Matratze und mein Kopf hört nicht auf zu brummen. Die Woche verschwimmt zu einem monotonen Einheitsbrei und ich muss mich schon mittwochs unglaublich anstrengen, um mich daran zu erinnern, was ich montags genau gemacht habe.
Freitagnachts suche ich mich zwischen Weed und Billigwein im Park. Atem bildet fahle Wolken in der Luft. Ich renne vor mir selbst weg, während ich die Flasche leer trinke und mit Leuten lache, die mir nüchtern unsympathisch wären. Irgendwann verschlucke ich mich an meinen hohlen Worten und stolpere davon, um mich zu übergeben.
Im hartkalten schein der Strassenlaterne tanzt eine einzelne, glänzende Schneeflocke. Ein weissleuchtender Lichtfunke in der dunklen Nacht. Irgendwie macht mich das glücklich. Obwohl ich weiss, dass sie bald auf dem Boden auftreffen und schmelzen wird. Sie schwebt federleicht, wohin auch immer sie getragen wird, und zeichnet ein ehrliches Lächeln auf mein Gesicht. Ich glaube, ich bleib noch bisschen länger, denke ich. Irgendwo dazwischen. Auf der Suche. Bisschen ziellos.
Bisschen frei.
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