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Kindheitsträume in Buchstaben: Der Anfang einer langen Reise

Lorena Christ

Lorena Christ ist 24 Jahre alt und studiert Jura im Master. Schon seit sie klein ist, ist das Schreiben ihre Leidenschaft. Mittlerweile hat sie einen Fantasyroman sowie diverse kürzere Texte veröffentlicht; ein zweiter Fantasyroman befindet sich momentan im Endschliff. Im Jahre 2012 hat sie bei der Basler Eule mitgemacht und in ihrer Alterskategorie den Platz 1 erreicht (Sammelbuch «Die Uhr tickt»).

Publiziert am 9. August 2023

Ich sitze auf einer Bank auf dem Pausenhof meiner Primarschule und lese. Ein Ball fliegt auf mich zu, trifft um ein Haar mein ohnehin schon abgenutztes Buch, und ich weiche in letzter Sekunde aus. Ein paar Kids nebenan lachen.

«Willst du nicht lieber mitspielen?»
«Sei doch nicht so langweilig!»

Ich ignoriere die spielenden Kinder und gehe zu einer anderen Bank, weiter von der Gefahrenzone weg. Ich spiele nicht gern Ball; ich bin ungeschickt und sehe den Sinn dahinter nicht, mit einem Ball durch die Gegend zu rennen, um irgendwelche undefinierbaren Siege zu erzielen. Lesen ist viel mehr mein Ding.

Bald entwickle ich eine neue Leidenschaft; das Schreiben. Zu Hause setze ich mich an einen alten Computer, der nicht viele Funktionen hat – nur die Tasten und das Textprogramm funktionieren noch. Da schreibe ich Geschichten und lasse meiner Fantasie freien Lauf. Zuerst sind meine Texte nicht sehr logisch und auch nicht besonders kreativ. Ich kopiere meist, was ich irgendwo gelesen habe, und meine Logik ähnelt der eines kleinen Kindes; was ich ja auch bin. Trotzdem zeigen meine Grosseltern Begeisterung, ermutigen mich, weiterzuschreiben, und lesen interessiert meine mal wirren, mal weniger wirren Texte.

Eines Tages treffe ich in der Schulbibliothek auf einen Flyer, der einen Schreibwettbewerb für Kinder und Jugendliche bewirbt. Mit kribbelnden Fingern nehme ich ihn in die Hand und lese aufgeregt die Anforderungen. Ich schreibe gerne und ich bin jung; was hält mich also auf? Kurzerhand stecke ich den Flyer ein und gehe zurück zum Unterricht. Im Deutschunterricht schreiben wir einen Aufsatz. Ich lege das Thema weit aus und schreibe nicht nur über ein kleines Mädchen mit Abenteuerlust, sondern auch über Drachen und Zauberei. Ich bin ganz hibbelig, als mir meine Lehrerin den Aufsatz zurückgibt, und hoffe, dass sie meine Bemühungen bemerkt hat. Doch die Lehrerin steht streng vor mir und rügt, dass ich am Thema vorbeigeschrammt bin. Von Zauberei habe die Geschichte nicht handeln sollen. Ob ich denn die Aufgabenstellung nicht gelesen hätte? Meine Sitznachbarin, die ebenfalls gerne schreibt, grinst leise in sich hinein. Mein Hochgefühl verschwindet auf der Stelle. Was, wenn meine Texte schlecht sind? Trotz meines jungen Alters bin ich mir darüber im Klaren, dass meine Grosseltern nicht einen gänzlich objektiven Massstab darstellen. Meine Deutschlehrerin ist also eine wichtige Referenz für mich, jemand, auf dessen Urteil ich vertraue und zu der ich aufschaue. Wenn sie meine Texte für wirr und zu fantasievoll erklärt – was heisst das nun für meine neue Leidenschaft? Ich vergrabe meine Hände in den Hosentaschen. Dabei fühle ich den glatten Zettel, den ich zuvor eingesteckt hatte. Langsam umschliesse ich ihn mit der Faust und zerknülle ihn zu einem kleinen Häufchen zerknittertem, wertlosem Stück Papier.

Zu Hause fasse ich meinen letzten verbliebenen Mut und zeige einer Freundin meinen neusten Text. Diese liest ihn, lacht und meint, das sei doch genau wie Harry Potter – Zauberei eben. Ich versuche, ihr zu erklären, dass Zauberei nicht gleich Zauberei ist, aber vergebens. Meinen Rest an Mut verpufft ebenso schnell wie mein anfängliches Hochgefühl, und das Schreiben liegt künftig auf Eis.

Zum Abschluss der vierten Klasse bekommen wir ein Jahrbuch. Darin sollten wir unsere Hobbys aufzählen und offenbaren, welchen Berufswunsch wir momentan verfolgen. Die meisten Mädchen in meiner Klasse haben klare Wünsche: Prinzessin. Pferdeflüsterin. Oder der Beruf, den ihre Mütter ausüben. Die Eltern und Bekannten, die sich unsere Listen nun gerührt anschauen, wenden sich an die Mädchen.

«Ach, wie süss!»
«Kannst du denn reiten?»
«Prinzessinnen werden wir doch alle! Das ist man von innen heraus.»

Auch ich bin mir völlig sicher, was ich werden will: Fantasy-Autorin.

Die Eltern meiner besten Freundin lesen meinen ambitionierten Wunsch und lächeln mich nachsichtig an.

«Bist du sicher? Das ist doch kein richtiger Beruf!»

Ich nicke stur und hoffe, mich durch mein Nicken auch selbst zu überzeugen.

In der nächsten Zeit halte ich meine Leidenschaft weiterhin unterdrückt, verstecke sie und umhülle sie mit einem schweren Mantel aus Scham und Zweifeln. Die Sommerferien sind vorbei, und in der fünften Klasse wechselt meine Deutschlehrerin. Die neue Lehrerin ist ganz anders; sie hat Schalk in den Augen und merkt sofort, dass mir etwas an dem Fach liegt. Wieder schreiben wir einen Aufsatz. Vorgegeben ist eine Länge von drei Seiten. Zunächst bleibt mein Blatt leer. Schreiben ist uncool, flüstert mir mein Kopf leise zu. Langsam setze ich den Stift an und verfasse die ersten Zeilen. Schreiben ist asozial und einsam. Schreiben hat keine Zukunft, fliegt es mir durch den Kopf. Doch mit der Zeit schreibe ich schneller und enthusiastischer, und mein Stift fliegt nur so über die Seiten. Meine Fantasie durchbricht die Barrieren in meinem Kopf und tobt wie wild, lässt sich nach ihrer langen Gefangenschaft kein Stück mehr zähmen. Als die Zeit um ist, lege ich den Stift nieder und bemerke erstaunt, dass ich statt drei Seiten fünf Seiten geschrieben habe. Mit einem flauen Gefühl im Magen gebe ich den Aufsatz ab.

Als der Tag der Rückgabe ansteht, sind meine Hoffnungen nicht allzu gross. Ich habe die Vorgaben nicht eingehalten, und Vorgaben sind nun mal zu befolgen. Meine neue Lehrerin legt den Aufsatz vor mir nieder und kritisiert, dass ich die Seitenanzahl nicht eingehalten habe. Sie fordert mich dazu auf, das nächste Mal besser darauf zu achten. Doch dann fährt sie fort.

«Deine Fantasie ist wirklich gross. Das musst du unbedingt beibehalten. Bleib dran!»

Nach dem Unterricht gehe ich zu ihr, völlig perplex und aufgeregt wegen der guten Note. Sie setzt sich kurz auf das Lehrerpult und klärt mich über gewisse Regeln beim Schreiben einer Geschichte auf: Auf einer Seite sollte das gleiche Adjektiv nur einmal vorkommen. Füllwörter wie «dann» sind in Folge zu vermeiden. Wortkombinationen wie «sagte sie» darf man hingegen oft benutzen, da es den Lesefluss unterstützt. Ich sauge all ihre Tipps tief in mir ein und renne mit neuer Energie nach Hause. Endlich setze ich mich wieder vor den alten Computer und beginne zu schreiben. Ich mache ein neues Dokument auf und starte eine Fanfiction. Fanfictions sind nur langweilige Kopien, schwirrt es durch meinen Kopf, doch ich dränge den fremden, gehässigen Gedanken beiseite und tippe beharrlich weiter. Es fühlt sich richtig an, diese Fanfiction zu schreiben. Ich fühle jedes Wort und jede Zeile. Also schreibe ich weiter und kümmere mich nicht um das, was andere sagen werden.

Am Ende der Woche kommt meine Lehrerin erneut auf mich zu. Sie drückt mir einen Flyer in die Hand: «Die Basler Eule: Schreibwettbewerb». Der Flyer sieht dem Flugblatt, das ich im vierten Schuljahr in der Schulbibliothek entdeckt hatte, zum Verwechseln ähnlich. Kurz spüre ich wieder das zerknüllte Papier von damals in meiner Faust liegen. Ich blinzle und schaue den Flyer erneut an. Dieses Mal werfe ich ihn nicht weg. Dieses Mal gebe ich mir einen Ruck und entscheide mich für meine Leidenschaft und meinen Traum. In den nächsten Deutschstunden räumt mir meine Deutschlehrerin Zeit ein, um an einem passenden Text zu arbeiten. Das Thema des Wettbewerbs liegt mir gut; sofort entstehen in meinem Kopf Bilder, Szenen und Charaktere. Ich lasse mich von meiner Fantasie treiben und tauche tief in die neue, eigens kreierte Welt ein. Meine Gedanken fliessen in meinen Stift, bewegen meine Hand und verwandeln meine lautlosen Gedanken zu niedergeschriebenen Zeilen. Langsam entstehen Sätze, Abschnitte und ganze Seiten. Als die Geschichte ihr Ende erreicht hat, übergebe ich meiner Lehrerin den Text, welche ihn für mich einschickt. Danach ist Warten angesagt. Geduld ist nicht meine Stärke – ich plage mich mit tausend Fragen und überlege hin und her. Was, wenn der Jury mein Schreibstil nicht gefällt? Wenn der Text zu fantasievoll ist? Zu abstrakt? Wirr?

Irgendwann kommt dann der lang ersehnte Brief. Ich öffne ihn und realisiere mit offenem Mund, dass ich gewonnen habe und meine Geschichte vor Publikum vorlesen werde. Diese Nachricht wird mich noch während vieler weiterer Jahre anspornen, weiterzuschreiben und an meiner Leidenschaft festzuhalten. Aber ebenso bedeutend wird meine Lehrerin sein, die mir einst Mut gemacht hat und mir Raum gegeben hat, um mich zu entfalten.

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